Erste Entscheidung zum Thema "Zusteller" als echter Dienstnehmer vom Bundesverwaltungsgericht

Ein Zustellfahrer war für ein Transportunternehmen tätig und stellte nach vorgegebenen Touren Koffer an verschiedene Banken zu. Er lud an fünf Tagen die Woche um ca. 0.30 Uhr die Koffer in sein Fahrzeug und lieferte diese bis ca. 7.00 Uhr oder 8.00 Uhr bei den Banken in einer Box im Außenbereich ab. Vom Transportunternehmen erhielt er Schlüssel für die Boxen, eine Tankkarte, einen Dienstausweis, eine Zustellliste und eine dreitägige Einschulung.
Die Gebietskrankenkasse stellte die Pflichtversicherung für diesen Zustellfahrer nach § 4 Abs. 2 ASVG mittels Versicherungsbescheid fest. In der Beschwerde der Dienstgeberin wurde unter anderem eingewandt, dass
- sich der Fahrer jederzeit habe vertreten lassen können,
- er einen Gewerbeschein besitze und
- eigene Betriebsmittel (Auto und Telefon) verwende.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde ab und führte in seinem Erkenntnis insbesondere aus:
Bei einem Werkvertrag handelt es sich um ein Zielschuldverhältnis. Hier war der Fahrer zur laufenden Erbringung einer niedrig qualifizierten (Dienst-)Leistung verpflichtet. Er verfügte über keine unternehmerische Struktur, trat nicht werbend am Markt auf und konnte letztlich nur über seine eigene Arbeitskraft disponieren. Aus einem solchen Erwerbstätigen wird im konkreten Fall auch dann kein selbständiger Erbringer von Werkleistungen, wenn man die genannten Dienstleistungen gedanklich in einzelne zeitlich bestimmte Abschnitte zerlegt und diese Abschnitte sodann zu „Werken“ erklären würde.

Neben der Aussage des Fahrers, er sei davon ausgegangen selbst fahren zu müssen, da die Tour auf seinem Namen laufe, spricht Folgendes gegen ein generelles Vertretungsrecht: Es war eine dreitägige Einschulung zu absolvieren und der Fahrer musste sich schriftlich zur Einhaltung des Bankgeheimnisses und des Datenschutzes verpflichten. Bei realer wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist daher – trotz anderslautender Vertragsbestimmung – von einer persönlichen Arbeitspflicht auszugehen.

In Bezug auf den Arbeitsort wurden konkrete Touren vorgegeben. Auch wenn im Frachtvertrag bloß vereinbart wurde, dass die Lieferung „rechtzeitig“ beim Kunden sein müsse, wurden in der Praxis konkrete Zeiten/Zeiträume vorgegeben, was auch die Gestaltungsfreiheit bezüglich Arbeitszeit stark einschränkte. Hinsichtlich des arbeitsbezogenen Verhaltens ist anzuführen, dass der Fahrer drei Tage eingewiesen wurde, weiters wurde er zur Geheimhaltung verpflichtet, er erhielt einen Schlüssel zum Aufsperren der Boxen, einen Dienstausweis sowie eine Zustellliste.

Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Dienstnehmer über einen Gewerbeschein verfügt, der ihn dazu berechtigt selbständige Leistungen zu erbringen. Es ist daraus nicht ableitbar, ob er im konkreten Fall selbständig oder in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig wurde.

Der Umstand, dass das notwendige Betriebsmittel (KFZ) vom Fahrer zur Verfügung gestellt wurde, kann im Rahmen der Gesamtabwägung kein Überwiegen der persönlichen Unabhängigkeit bewirken. Darauf, dass er dieses Betriebsmittel für die Tätigkeit eigens angeschafft und die Aufwendungen dafür steuerlich geltend gemacht habe, kommt es hier nicht an.
‌(Quelle: dg Serviceline OÖGKK März 2016, L504 2005638-1, 14.07.2015)

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