"Schlafberater" als echte Dienstnehmer

Der VwGH hat sich in der Entscheidung Ra 2017/08/0099 mit der Frage auseinandergesetzt, ob sog. "Schlafberater" (Direktvertrieb von Schlafsystemen wie Matratzen, Überzüge, etc) als echte Dienstnehmer angesehen werden oder ob diese als selbständige Handelsvertreter tätig sind und daher nach dem GSVG zu versichern sind. Die Entscheidung ist deshalb sehr interessant, da der VwGH im Zusammenhang mit Direktvertrieben sehr unterschiedlich entschieden hat. Hier die wesentlichen Auszüge aus der Entscheidung:

"Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Grundvoraussetzung für die Annahme persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG und damit eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses stets die persönliche Arbeitspflicht ist. Fehlt sie, dann liegt ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Persönliche Arbeitspflicht ist (unter anderem) dann nicht gegeben, wenn demjenigen, dessen Leistungserbringung zu beurteilen ist, eine generelle Vertretungsbefugnis bei Erbringung dieser Leistung eingeräumt ist oder wenn ein Beschäftigter die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos ablehnen kann. Ein "sanktionsloses Ablehnungsrecht" in diesem Sinn liegt vor, wenn es dem Beschäftigten offen steht, die Leistung bereits übernommener Dienste jederzeit nach Gutdünken ganz oder teilweise sanktionslos abzulehnen. Der Empfänger der Dienstleistungen kann unter solchen Umständen nicht darauf bauen und entsprechend disponieren, dass dieser Beschäftigte an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit für Dienstleistungen vereinbarungsgemäß zur Verfügung steht. Die bloße Befugnis eines Erwerbstätigen, ihm angebotene Beschäftigungsmöglichkeiten auszuschlagen, berührt die persönliche Arbeitspflicht in keiner Weise, mag diese Befugnis auch als "sanktionsloses Ablehnungsrecht" (in einem weiteren Sinn) bezeichnet werden. Zwischen der sanktionslosen Ablehnung der Erbringung einzelner Leistungen, etwa bei deren Abruf im Zuge einer Rahmenvereinbarung bei verpflichtender Tätigkeit im Fall der Zusage, und einem generellen sanktionslosen Ablehnungsrecht, das die persönliche Abhängigkeit ausschließt, ist ein deutlicher Unterschied zu machen . Selbst eine ausdrücklich vereinbarte Befugnis des Beschäftigten, bereits zugesagte Arbeitseinsätze jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu können, stünde ebenfalls im Verdacht, ein "Scheingeschäft" zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang zu bringen wäre (vgl. §§ 539 und 539a ASVG).

Anders wäre ein Sachverhalt aber z. B. dann zu beurteilen, wenn der Dienstgeber einfache Aushilfsarbeiten derart organisiert, dass für deren Durchführung jederzeit mehrere abrufbare Arbeitskräfte zur Verfügung stehen ("präsenter Arbeitskräftepool"), und es ihm - nicht zuletzt wegen der Einfachheit der Arbeiten - gleichgültig ist, von welcher - gleichwertigen - Arbeitskraft aus dem potenziell zur Verfügung stehenden Kreis er die Arbeiten verrichten lässt. Steht dem Dienstgeber die Möglichkeit offen, im Falle der (jederzeit möglichen) Absage der von ihm in Aussicht genommenen Person aus dem "Pool" sofort die jeweils nächste Arbeitskraft abzurufen und stehen genügend Arbeitskräfte zur Verfügung, dann könnte der einzelne Teilnehmer am "Pool", mit dem dies vereinbart wurde oder dem dies bekannt ist, tatsächlich in Übereinstimmung mit dem Vereinbarten davon ausgehen, einzelne Arbeitsleistungen jederzeit nach Gutdünken sanktionslos ablehnen zu dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auch bereits wiederholt mit der Abgrenzung der selbstständigen (Handels-)Vertreter von den in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit von einem Dienstgeber im Sinn des § 4 Abs. 2 tätigen Vertretern ("angestellten Vertretern", "angestellten Provisionsvertretern") bzw. damit, welchen Merkmalen der Tätigkeit in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zuzumessen ist, beschäftigt (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VwGH 22.2.2012, 2009/08/0075; 2.4.2008, 2005/08/0197). In den Revisionen wird nicht aufgezeigt, dass das Bundesverwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre bzw. die zum Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG vorzunehmende Gesamtabwägung in den vorliegenden Fällen unvertretbar erfolgt wäre.

Lt. VwGH liegen echte Dienstverhältnisse gemäß § 4 Abs 2 ASVG vor!

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